Eine ideale Bienenwohnung

Sebastian Ganzer • 28. Februar 2022

Warum die Bienenkiste eine gute Höhle für Bienen ist

Honigbienen sind sehr flexibel, was ihren Wohnraum angeht und doch gibt es Kriterien, die eine Behausung besonders geeignet für ein Bienenvolk machen, sodass es sich wohl fühlt und gute Bedingungen zum Überleben hat. Die Bienenkiste kommt den Bedürfnissen des Bienenvolkes aus meiner Sicht besonders entgegen. 

Bienen sind Höhlenbrüter

In der Natur leben Bienenvölker in Baum- oder Felshöhlen, je nachdem was sie vorfinden. Diese bieten Schutz vor der Witterung und vor Feinden. Bienen müssen sich selbst und das Brutnest warmhalten, sie wärmen nicht den ganzen Hohlraum.  Wenn ein Bienenschwarm die Wahl hat, sich einen Hohlraum auszusuchen, bevorzugt er ein Volumen zwischen ca. 35 und 70 Liter (je nach Schwarmgröße), ein kleines Flugloch, welches sich idealerweise am Boden der Höhle befindet, eine Ausrichtung nach Süden und möglichst hoch oben. Sehr lesenswert zu diesem Thema sind die Bücher von Dr. Thomas D. Seeley. Er hat über Jahrzehnte die Kriterien von Bienen für neue Behausungen und die Entscheidungsprozesse im Bienenschwarm erforscht.


Die Form der Bienenkiste ist ideal

Die Bienenkiste bietet mit ihrer flachen, länglichen Form einige Vorteile für das Bienenvolk.

  1. In der kalten, kritischen Jahreszeit, wenn die Völker klein sind, verlieren sie keine Wärme nach oben. Die Bienenkiste hat eine Höhe von 20 cm, die Wintertraube sitzt also direkt an der Decke und kann ihren Wärmehaushalt effizient regulieren.
  2. Durch die flache Bauweise sind die von den Bienen selbst gebauten Waben (Naturwabenbau) nur 20 cm hoch und ausreichend stabil - je höher Waben sind, desto leichter brechen sie, beim Imkern mit Rähmchen werden die Waben deshalb mit Draht stabilisiert.
  3. Die Bienenwintertraube hat auf den langen Waben einen langen Zehrweg, deshalb ist die Gefahr eines Futterabrisses gering. Bienen verhungern im Winter, wenn die Waben, auf denen sie sich befinden, leer gefressen sind, selbst wenn es auf anderen Waben noch Vorräte gibt. Bei Frost krabbelt keine Bienen aus der wärmenden Wintertraube auf eine kalte Wabe.
  4. Bei der Bienenkiste entnimmt man nur ausnahmsweise einzelne Waben. Im Bienenkistekonzept ist es nicht erforderlich Waben zu entnehmen, man imkert mit dem ganzen Volk. Das bedeutet weniger Störung und weniger imkerliche Fehler, davon profitiert ein Bienenvolk. Abgesehen davon ist der Blick auf das ganze Volk ein toller Anblick!


Die Waben bleiben in der Bienenkiste, das hat Vorteile

Will man das Volk kontrollieren, kann man für einen kurzen Blick hinein die Rückwand öffnen. Möchte man eine ausführliche Durchsicht machen, kann die ganze Kiste gekippt und der Boden abgenommen werden. So kann man nicht viel falsch machen, erdrückt keine Bienen und "verliert" keine Königin.

Lässt man die Waben an ihrem Ort, bleiben die Abstände zwischen ihnen immer gleich - genau so, wie die Bienen sie gebaut haben und brauchen. Es kann nicht passieren, dass aus Versehen Waben vertauscht werden. Das Klima in den Wabengassen (Temperatur, Duft, Luftfeuchtigkeit) wird nicht verändert. Das Volk ist so in seiner natürlichen Organisation relativ ungestört und die Bienen eher ruhig und entspannt. Waben tauschen zwischen Völkern ist nicht vorgesehen, das Risiko der Verbreitung von Krankheit oder Seuche auf diesem Weg entfällt.

Blick in eine gekippte, geöffnete Bienenkiste

Die Bienen in ihrer natürlichen Lebensweise lassen

In der Bienenkiste leben Bienen wie sie in der Natur leben würden und man kann sie trotzdem betreuen und begleiten.

Es beginnt mit einer Höhle bzw. leeren Bienenkiste und einem Naturschwarm der einzieht. Ein Naturschwarm fängt direkt an, Waben zu bauen. Die Bienen müssen ihre Waben in der Bienenkiste selbst bauen wie in anderen Hohlräumen, ob in Bäumen, an Felsen, in Gebäuden. Sie nehmen dabei gerne eine vorgegebene Baurichtung an - bei der Bienenkiste die Wabenleisten - das macht es ihnen leichter. Ohne viel zu stören kann man sie beobachten, wenn nötig unterstützen und eingreifen und sich ansonsten erfreuen und staunen.


Ich denke, die Bienenkiste wird völlig unterschätzt

Zum einen von Imkernden, die naturnah imkern und dafür Bäume, Strohkörbe und andere besondere Bienenbehausungen auswählen. Diese Beuten sind oft gut isoliert (mit Vor- u. Nachteilen), besonders rustikal, oder traditionell und meistens teuer bzw. aufwändig herzustellen. Den Bienen gefällt es darin gut, wenn die "Höhle" die entsprechenden Kriterien an Volumen, Flugloch und Ausrichtung erfüllt. Für die Bienen wird es aber zum Nachteil, wenn man nicht rechtzeitig mitbekommt, dass sie zu wenig Nahrung finden, oder zu viele Varroamilben haben. Selbst wenn man die nötigen Beobachtungen machen könnte, dafür aber eine Leiter braucht, lange Wege und nur begrenzten Einblick in die Beute hat, wird man früher oder später Dinge übersehen - zum Nachteil der Bienen. Mir gefallen Bienenvölker in hohlen Bäumen, Bienenkörben und anderen naturnahen Beuten. Mit viel Erfahrung können solche Völker auch gut betreut werden, es wäre deshalb am besten, wenn erfahrene Imker*innen dabei involviert sind.

Die Bienenkiste ist ideal, um Bienenvölker sich so weit wie möglich eigenständig entwickeln zu lassen und trotzdem jederzeit beobachten, unterstützen und wenn nötig eingreifen zu können. Man kann eine Bienenkiste mit einer Dämmung optimieren, um den Wärmeverlust nach oben zu verringern. Von anderen Optimierungen (Bienenkiste erhöht aufstellen, aufwändige Kippvorrichtungen etc.) habe ich mit der Zeit Abstand genommen, sie sind aber möglich. Wichtig bei Optimierungen: die Handhabung sollte davon uneingeschränkt bleiben.

So wie ich das verstehe, sind die Gründe, warum es Bienenvölkern zur Zeit vielerorts schwer haben, vor allem die Varroamilben und zu wenig bzw. zu einseitige Tracht. Was ihre Behausungen betrifft, sind Honigbienen sehr flexibel und können sich in jedem Hohlraum, der bezüglich Volumen und Flugloch einigermaßen passt, wohnlich einrichten.


Die Bienenkiste wird vor allem von "normalen" Imker*innen unterschätzt und kritisiert. Meist kommt die Kritik von Leuten, die keine Erfahrung mit der Bienenkiste haben.

Mehr dazu in einem zukünftigen Artikel.

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